Anne Rabe: DIE MÖGLICHKEIT VON GLÜCK

So sieht sie aus, die Büchergilde-Ausgabe von Die Möglichkeit von Glück, dem Roman von Anne Rabe, der zu recht auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2023 stand. Schlicht und besonders kommt sie daher, mit bedrucktem und geprägtem festen Einband, dunkelblauem Vorsatzpapier und Lesebändchen. Vielleicht gefällt euch das Cover mit dem Glas, halbvoll und zuversichtlich, auch so gut wie mir. Ich finde es passend für Die Möglichkeit von Glück.

Die Zeit, in die ich geboren wurde, ist das, was man heute eine historische Zäsur nennt. Alljährlich im Herbst laufen über die Bildschirme die glücklichen Bilder des Mauerfalls. Die Menschen, die sich in die Arme fallen und kaum fassen können, dass das, was da gerade passiert, wirklich geschieht. Auf ihren Gesichtern Erleichterung und die Möglichkeit von Glück.“ S. 18

Anne Rabe erzählt in ihrem autofiktionalen Roman von Stine, die zur Zeit der Wiedervereinigung Deutschlands vier ist und in einer ostdeutschen Kleinstadt am Meer aufwächst, von Stines Kindheit und Jugend in Ostdeutschland nach der Wende, eine Zeit, die für Stine von Gewalt geprägt ist. Insbesondere ihre Mutter übt an ihren beiden Kindern körperliche und psychische Gewalt aus. Der Vater stets still und das Handeln der Mutter duldend.

Nach dem Abitur ist Stine nach Berlin gegangen und hat den Kontakt zur Familie, bis auf den zu ihrem Bruder Tim, abgebrochen. Jahre später, inzwischen verheiratet und zwei Kinder, geht sie ihrer Familiengeschichte auf den Grund, begibt sich auf die Suche nach der Ursache für so viel Gewalt, befasst sich mit der Gewalt innerhalb des DDR-Systems, der Zeit in der ihre Eltern lebten. Sie recherchiert die Lebensgeschichte ihres Großvaters Paul, der Opa mütterlicherseits, der ein Kind der Nazi-Zeit, Soldat an der Ostfront, später SED-Propagandist war. „Ich würde gern das Knäuel der Familiengeschichte entzerren, geduldig, Knoten für Knoten lösen, es neu aufwickeln und irgendwann am Ende des Fadens angelangen.“ S. 228

Ein Buch über die Suche nach Herkunft und Identität, über eine Kindheit in Ostdeutschland nach der Wende; eine Familiengeschichte, die bis in die Nazi-Zeit reicht und die Suche nach der Ursache für so viel Gewalt; ein Buch, in dem sich Anne Rabe auf persönliche und politische Weise der Vergangenheitsbewältigung der DDR widmet. LESEEMPFEHLUNG

Ich musste aufpassen, jedes falsche Wort, jeder Versprecher, alles würde gegen mich verwendet werden. Mutter konnte aus dem winzigen Nichts einer Unüberlegtheit dünne Fäden spinnen, die sie einem als Schlinge um den Hals legte und blitzschnell zuzog.“ S. 162

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