„Die Ehe zu kritisieren, macht unbeliebt. Aber wer das Patriachat verstehen will, muss mit der Ehe anfangen.“ S. 15
Ein Buch, das ich gern schon früher gelesen hätte. Es ist kraftvoll, revolutionär, mutig, interessant, aufwühlend, bereichernd!
Ganz besonders haben mir folgende der insgesamt 14 Kapitel gefallen: Wie wir lernen, uns nach der Ehe zu sehnen; Die Übermacht der Paare; „Es ist besser für die Kinder“; Die unsichtbare, unbezahlte, unentbehrliche Arbeit der Frauen; Ehe und Geld: Der goldene Käfig; Ehe und Sex; Lieben Männer Frauen wirklich?;
Die Autorin zeigt u.a. die Ungerechtigkeiten auf, die durch die Ehe als rechtliche, kulturelle, politische Institution entstehen. Sie ist für eine Neudefinierung der Lohn- und Care-Arbeit; für die Einführung einer feministischen Steuer( „Das deutsche Steuersystem diskriminiert Frauen, Singles und vor allem Alleinerziehende.“ S. 346), für die Abschaffung des Ehegattensplittings; für eine Liebe auf Augenhöhe und die gegenseitige Anerkennung der Freiheit, Autonomie und Vollständigkeit. Noch immer sind Männer und Frauen nicht gleichgestellt. Mit ihrer kritischen Analyse der Geschlechterverhältnisse zeigt die Autorin einen Weg auf, wie die Revolution der Liebe gelingen kann.
LESEEMPFEHLUNG!!
„Auch glücklich verheiratete oder in einer festen Beziehung lebende Menschen können sich in diesem Buch wiederfinden, denn es geht nicht um die Liebe, sondern um die Infrastruktur, die das Funktionieren der Beziehung regelt. Das Ende der Ehe bedeutet nicht, dass verheiratete Paare geschmäht werden oder sich gar scheiden lassen sollen. Es soll auch nicht ein anderes Lebensmodell durchgesetzt werden. Mit dem „Ende der Ehe“ fordere ich das Ende einer obsoleten Institution, die die Ungleichheit und Unterdrückung der Frauen in unserer Gesellschaft produziert und aufrechterhält.“ S. 21
Emilia Roig, Das Ende der Ehe – Für eine Revolution der Liebe, Ullstein, ET 30.3.2023, 384 Seiten
unbezahlte Werbung, Rezensionsexemplar
weitere Zitate:
„Es ist nicht alles schlecht an der Ehe. Die Liebe, das Engagement, die Fürsorge, das Gefühl von Geborgenheit sind solche Dinge, die innerhalb einer Ehe entstehen können. Doch diese Emotionen und Verbindungen sind nicht an die Ehe gebunden, sie können ohne die Institution und die Heiratsurkunde existieren.“ S. 21
„Es beginnt mit dem Hochzeitskleid (wie eine Geschenkverpackung für den Ehemann) und der Tradition, dass die Braut von ihrem Vater zum Altar geführt wird, wo sie ihrem Ehemann übergeben wird. Und es endet nicht bei dem verräterischen Satz „Sie dürfen die Braut jetzt küssen“ (wie ein Objekt, das keinen eigenen Willen hat – warum darf die Braut nicht die Initiative ergreifen?) (…)“ S. 32
„Warum sollten wir an der Ehe festhalten, wenn sie zum Zweck der Unterordnung der Frauen geschaffen wurde? Weshalb ist uns diese Institution so wichtig, wenn ihre Hauptfunktion darin besteht, die Körper der Frauen zu kontrollieren, ihre Arbeitskraft zu vereinnahmen und die patriarchale Macht aufrechtzuerhalten? Wenn Ehen heute nur aus noch aus Liebe geschlossen werden, brauchen wir noch eine Institution, die dieses Gefühl rechtlich einrahmt?“ S. 33
„Mich interessieren die Geschichten und Narrative, die wir über Liebe verinnerlicht haben, und inwiefern sie uns beeinflussen und möglicherweise daran hindern, den Zugang zu uns selbst und zur authentischen Liebe zu finden. Eine Liebe, die sich frei entfalten kann, ohne normative Regulierung und frei von Machtdynamiken, die durch Gesetze und Steuerregime verschärft werden.“ S. 38
„Frauen neigen dazu, ihren Selbstwert von ihrem Mann, ihrer Beziehung, der gemeinsam gegründeten Familie abzuleiten. Männer tun das viel weniger. Mädchen lernen früh, sich nach Aufmerksamkeit von Männern und romantischen Gefühlen zu sehnen, weil ihr Beziehungsstatus Teil ihrer Persönlichkeit wird.“ S. 40
„Je mehr Frauen sich emanzipieren und ihr eigenes Geld verdienen, desto unattraktiver wird die Ehe.“ S. 44
„Viele Paare haben sich innerlich schon getrennt, bleiben aber weiterhin zusammen, aufgrund von sozialem Druck und finanzieller Abhängigkeit.“ S. 58
„Wir können in romantischen Partnerschaften wachsen, aber auch allein, in Freundschaften und anderen Formen von Beziehungen. In langjährigen Beziehungen zusammen zu wachsen, verlangt eine stetige emotionale Arbeit, die belastend sein kann, wenn sie nur von einer Person geleistet wird.“ S. 59
„Wir alle können ein tiefes und reiches Liebesleben entwickeln, das nicht von einer Person abhängig ist, sondern sich auf mehrere tiefe Bindungen erstreckt -platonisch, romantisch, familiär, freundschaftlich und/oder sexuell.“ S. 62
„(..) gibt es zu wenige Studien, die die psychischen Folgeschäden von Kindern verheirateter Eltern erforschen. Wie entwickeln sich Jungen, deren Mütter ständig herabgewürdigt wurden? Welche Botschaft verinnerlichen Mädchen, deren Mütter über keine finanzielle Autonomie verfügen?“ S. 86
„Wer aus Liebe heiratet, erledigt auch die in einer Ehe anfallende Arbeit aus Liebe -und nicht für Geld.“ S. 93
„Alle Fragen der Kindererziehung sind untrennbar mit dem Feminismus verbunden und gehören zu einer Kritik der Ehe.“ S. 125
„Männer müssen lernen, Frauen zu lieben, aber Frauen müssen auch lernen, sich selbst zu lieben. Sie müssen ihre internalisierte Unterlegenheit verlernen. Denn die Unterdrückung funktioniert nur, wenn die Unterdrückten sich psychologisch und durch ihr Verhalten daran beteiligen. (…) Selbstliebe ist in diesem Sinne die allergrößte Waffe gegen Unterdrückungssysteme.“ S. 289
„Auf Augenhöhe zu lieben heißt, gegenseitig die Freiheit, die Autonomie und die Vollständigkeit der Person anzuerkennen.“ S. 323