Stefanie Sargnagel: IOWA, Ein Ausflug nach Amerika

Meine Freude war groß, als ich erfahren habe, dass ich in diesem Jahr eine der Buchpreisblogger*innen sein darf. Als mir mein Patenbuch bekannt gegeben wurde, sank meine begeisternde Stimmung allerdings ein wenig. Wie sehr hätte ich Lichtungen, Mein drittes Leben, Hey guten Morgen, wie geht es dir? oder Die schönste Version zugelost bekommen, alles Bücher, von denen ich mir gewünscht habe, sie auf der Longlist zu sehen, ein Wunsch, der zu meiner großen Freude in Erfüllung gegangen ist. Iowa ist nun kein Buch, das ich mir ausgesucht hätte, aber gut, ich bin offen für Neues und lese auch gern über den Tellerrand. Und tatsächlich gestaltete sich das Lesen anfangs recht amüsant.

Worum geht es?

Die österreichische Schriftstellerin Stefanie Sargnagel reiste 2022 nach IOWA, in den ländlichsten Bundesstaat der USA. Zielort ist Grinnell, eine Kleinstadt mit ca. 8000 Einwohner*innen, an dessen College sie einige Stunden als Gastdozentin in Creative Writing unterrichten darf. Ihre 25 Jahre ältere Freundin Christiane Rösinger, Musikerin aus Berlin, begleitet sie auf der Reise, auch sie wird am College einen Auftritt haben, reist aber einige Zeit vor Stefanie Sargnagel zurück nach Berlin. Gemeinsam wohnen sie in einem gelben Holzhaus, genießen die Gemütlichkeit auf Sofa und Sessel, können sich mit einer Realityserie identifizieren, denn Lästern und Tratsch ist auch deren gemeinsames Interessengebiet. Als sie die Gegend erkunden wollen, stellen sie schnell fest, dass in der ländlichen Gegend nicht viel los ist. Zu ihrer großen Freude bekommen sie jedoch nach einiger Zeit ein Auto, mit dem sie dann endlich mobiler sind und Land und Leute besser kennenlernen.

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Die Autorin wirft einen scharfzüngigen, gesellschaftskritischen Blick auf das ländliche Amerika, stellt fest, dass jedes Detail aus den Simpsons brillant verarbeitete amerikanische Realität ist. Sie und ihre Begleiterin treffen auf viele freundliche Menschen, Riesensupermärkte, unglaubliche Würstchen und ein Glas eingelegter Truthahnmägen. Sargnagel schreibt über die Schönheit von Absturzkneipen, überhaupt über Alkohol und Rauchen, (sie bezeichnet sich als „stabile österreichische Durchschnittsalkoholikerin“), über Begrüßungsrituale, die Präsenz von Waffen im amerikanischen Alltag, über Zweitjobs in Amerika, ungesundes Essen, aber gute Burger, über die Gemütlichkeit auf dem Sofa, über Glücksspieltempel, die Waffenbegeisterung der Amerikaner, über die Gegensätze von akademischen Welt einer Eliteuni und ländlichem Amerika.

In Iowa geht es aber auch um die Freundschaft zwischen Sargnagel und Rösinger, um unterschiedliche Ansichten von Boomer und Millennials, ums Älterwerden, Feminismus, das Thema Kinderwunsch, die Berliner Wohnungspolitik und ein wenig um Einsamkeit.

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Iowa , dessen Untertitel Ein Ausflug nach Amerika lautet, ist eine Art Reisebericht (nebst persönlichen Gedanken) über eine Zeit von insgesamt 8 Wochen. Schnell kam bei mir die Frage auf, ob es sich hier überhaupt um einen Roman handelt, da, so Voraussetzung für die zum Buchpreis eingereichten Titel „ihrer Art und Länge nach ein Roman sein“ müssen (wie ich auf der Webseite des Deutschen Buchpreises lesen konnte). Aber gut, sicherlich sind die Grenzen fließend und die Jury kann das besser einschätzen als ich. Ob nun Roman oder nicht, grundsätzlich finde es gut für die Buchbranche, wenn die Kriterien lockerer gehandhabt werden. Vielmehr würde mich die Begründung der Jury interessieren, dieses Buch für den Deutschen Buchpreis zu nominieren, es auf die Longlist zu setzen und damit als Kandidat für das Deutsche Buch des Jahres 2024 in Erwägung zu ziehen. Ich kann die Entscheidung nicht verstehen. Die Auswahl der eingangs erwähnten Titel für die Longlist sind für mich deutlich nachvollziehbarer und ich wünsche mir auch sehr, sie auf der Shortlist wiederzusehen. Iowa hingegen sehe ich keineswegs auf der Shortlist.

Iowa ist für mich kein Buch, das man gelesen haben muss. Es ist eine unterhaltsame, leichte Lektüre, die mir persönlich aber schnell langweilig wurde. Anfangs gab es tatsächlich einige Lacher und auch die korrigierenden, bissigen Fußnoten von Christiane Rösinger haben mir gefallen, aber nach wenigen Seiten war es dann genug für mich mit diesem Buch, der Art der Autorin zu schreiben, dem immer langweiliger werdenden Inhalt. Ein paar weniger Seiten hätten diesen Buch meiner Meinung nach gut getan. Wäre es nicht mein Patenbuch, hätte ich es abgebrochen, was ich wirklich sehr selten mache. Stattdessen habe ich es natürlich zu Ende gelesen, einmal und für meine Rezension ein weiteres Mal, auch in der Hoffnung es doch noch lieben zu lernen oder wenigstens zu mögen, schließlich ist es doch mein Patenbuch für den Deutschen Buchpreis. Sehr gerne hätte ich eine begeisternde Rezension geschrieben. Sehr gerne. Doch es geht nicht. Kein Funke sprüht auf mich über. Ich lese eben lieber andere Bücher. Mich freut es aber sehr – für die Autorin und für den von mir sehr geschätzten Rowohlt Verlag -, dass Iowa viele begeisterte Leser*innen gefunden hat und auch sicherlich weiterhin finden wird, meine kleine bescheidene Meinung zu diesem Buch also nicht ins Gewicht fällt. Geschmäcker sind nun mal verschieden und in diesem Fall haben Buch und Leserin einfach nicht zusammengepasst.

Iowa – ein Buch, das man nicht gelesen haben muss, das sich aber als leichte, kurzweilige Lektüre für zwischendurch eignet, wenn man hin und wieder beim Lesen schmunzeln möchte, Lust auf einen Reisebericht über eine ländliche Gegend Amerikas hat und sich einfach ein wenig unterhalten lassen möchte.

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Zitate:

Da Lästern und Tratsch auch Christianes und mein Interessengebiet sind, erkennen wir uns stark wieder in den Protagonistinnen. Tratsch ist eine meiner größten Leidenschaften im Leben, und das Reden über andere zu dämonisieren ist meiner Meinung nach antifeministisch. Der Hang zum Tratschen wird fälschlicherweise als Charakterschwäche eingeordnet, dabei ist Tratschen durch das Interesse an anderen Menschen angetrieben und damit zutiefst humanistisch.“ S. 57

Krampfig versuche ich, was Normales zu antworten. Ich versuche mich zu erinnern, was normal ist. Seit ich hauptberuflich Künstlerin bin und somit jeder Konvention enthoben, weiß ich es noch weniger als davor, als ich noch hauptberuflich Alkoholikerin war.“ S. 172

Unser Zuhause. Our little house in the prairie. Wir ziehen die gemütlichen Sachen an. Das WG-Leben mit Christiane ist so harmonisch. Immer liegen Kekse bereit, wie im Schlaraffenland. In einer Kommode habe ich Pantoffeln mit Karomuster gefunden, wenn ich jetzt auf meine Füße schaue, auf den Übergang von nackten Knöcheln zu weicher Pantoffel, fühle ich die Zufriedenheit eines müden Familienvaters. Christiane nimmt ihre Couchposition ein, ich meine Fernsehsesselposition. So war es immer, so sind wir es gewohnt seit fünfzig Jahren. Die Säfte fließen rückwärts. ‹‹Das ist das beste Gefühl der Welt!›› S. 155 f.

Ich respektiere Religiosität. Allerdings respektiere ich sie auf dieselbe Art, auf die ich Kleinkinder respektiere, wenn sie mir in der Sandkiste einen ‹‹Kuchen›› anbieten. Ich schaue anerkennend, agiere so, als würde ihre Fantasie auch in meine Realität Einklang finden, und lächle wohlwollend von oben herab.“ S. 138

Ein Arschtritt für die Weltverbesserer und Streber. Primitiv, aber ehrlich. Asi, aber echt. Man weiß, woran man ist. Niemand will die anderen erziehen, niemand will zeigen, dass er der Strebsamste unter den Strebern ist, dass man es noch richtiger machen kann als die anderen, dass man noch mehr als eine Eins verdient, eine Eins plus. Eine Eins plus plus plus plus. Die defizitäre Persönlichkeit wird nicht verleugnet, der Schwanz liegt auf dem Tisch, runzlig und verklebt.“ S. 228

„Es ist alles eine Frage der Performance. Alles im Leben ist Behauptung. Andere behaupten, die Zukunft vorhersagen zu können, also kann ich auch behaupten, unterrichten zu können. Andere behaupten, eine Nation führen zu können, also kann ich behaupten, Creative Writing Teacher zu sein. Alles eine Frage der Überzeugung.“ S. 176

Ich bin eine begabte Schläferin und kann Tage im Bett verbringen, ohne unruhig zu werden. Wenn mich wer dabei löffelt, könnte ich für immer ruhen. Es ist nur die Gesellschaft, die einem einredet, dies wäre kein legitimer Lebensentwurf.“ S. 232

‹Weißt du, ich würde gerne einmal wieder was Schönes sehen. Keine Plastikteller, keine Horrorscheunen, einfach Schönheit.›› S. 156

„Denn schöner wird man nicht mehr, deshalb sollte man sich lieber freuen, besser auszusehen als in zehn Jahren, anstatt sich im Nachhinein darüber zu ärgern, sich hässlich gefühlt zu haben, als man am süßesten war. Im FKK-Bereich sitzen die 90-jährigen am entspanntesten.“ S. 160

Hätte ich es in Amerika je auf eine Uni geschafft oder wäre ich in meinem Trailerpark verrottet? Wäre eine Slackerkarriere wie meine, abgesichert durch Gemeindebauten und soziale Mindestsicherung, in den USA überhaupt möglich oder schaffen es hier wirklich nur die ekelhaft Ehrgeizigen in die Kunst?“ S. 115 f.

Frauen leiden an unerfüllten Kinderwünschen und tragen sie immer länger mit sich. Irgendwann, denke ich, werden wir uns mit neunzig noch fragen, ob wir Kinder wollen, und es ist völlig okay. Die Säuglinge fallen uns dann schmerzfrei aus dem Beckenboden, jemand hebt sie uns auf und legt sie vorne in das Körbchen vom Rollator.“ S. 268 f.

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Stefanie Sargnagel: IOWA, Rowohlt Verlag, Erscheinungstermin 19. Dezember 2023, 304 Seiten

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Kooperation, Buchbloggerin für den Deutschen Buchpreis 2024

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