Szilvia Molnar, Milchbar

Aus dem Amerikanischen von Julia Wolf

Ein Buch über die ersten Wochen als Mutter, ehrlich und bewegend erzählt. Die Ich-Erzählerin beschreibt ihre Verletzlichkeit, ihr Gefühlschaos während der Zeit ihrer postpartale Depression. Sie berichtet von den Auswirkungen des Schlafmangel, dem Körpergefühl nach der Geburt, ihren Schmerz in den Brüsten, Einweghöschen und blutigen Binden. „Mein Körper ist zertrümmert.“ S. 40 „Womit habe ich das verdient?“ S. 41

Die junge Mutter liebt ihr Baby, sorgt sich, kann sich kaum von ihm trennen,  vermisst aber auch die Zeit vor der Geburt. Während ihr Mann John auf der Arbeit ist „ und die Freiheit genießt, nachzudenken“ S. 84, kümmert sie sich zu Hause um Button. Sie fühlt sich „als wäre sie mit der ganzen Sache allein“ S. 225. Während sich für ihren Mann nichts geändert hat, er weiterhin seinen tiefen Schlaf genießt, sein Körper unverändert ist ( „Beim Anblick seiner klaren Figur befällt mich der Neid. Seine Schönheit ist von dieser ganzen Sache unberührt geblieben.“ S. 39) ist für sie nun alles anders. „Früher war ich Übersetzerin, jetzt bin ich Milchbar. “ S. 96.

Sie isoliert sich in der Wohnung, will nicht mehr nach draußen. Auch zu Buttons erste Untersuchungen kann sie nicht gehen, die John übernimmt. Ihr einziger Kontakt neben John ist ihr Nachbar Peter. Er trauert über seine kürzlich verstorbene Frau, und die junge Mutter sehnt gerade jetzt, wo sie selbst Mutter geworden ist,  sehr nach ihrer eigenen Mutter, die früh verstorben ist.

In Rückblicken erfahren wir aus der Zeit vor der Geburt, der Zeit  der Schwangerschaft, über ihren Job als Übersetzerin, über die Freude aufs Kind („Ich muss die ganze Zeit an die denken.“ S. 162) und von ihrer Entscheidung, dass die Mutterschaft sie nicht so fertig machen wird, wie sie es bei ihrer Freundin gesehen hat („Jedenfalls entscheide ich an Ort und Stelle, (…) dass ich nicht wie meine Freundin enden werde. Mich wird die Mutterschaft nicht so fertig machen. Ich weiß es besser.“ S. 192)

Zwischen den Texten finden wir Google-Suchverläufe der jungen Mutter, die ihren inneren Zustand nach der Geburt von Button zeigen, z.B. (kann man von Schlafenzug sterben, Mutter will Baby töten Statistik, Wochenbett Depression Anzeichen, was ist eine postnatale Zwangsstörung, was mir früher wichtig war)

Für mich ein Highlight. Ein derart offenes und ehrliches Buch über eine erlebte Zeit kurz nach der Geburt des eigenen Kindes  habe ich so noch nicht gelesen.

Zitate:

„Ich kann nicht glauben, dass ich mir das angetan habe.“ S. 159

„Ich bin zu meiner eigenen Gefangenen geworden. Ich habe Button schließlich gewollt, ich habe sie gemacht, und jetzt komme ich aus der Sache nicht mehr raus.“ S. 200

„Ich dachte ich/

liebte die Idee von ihr, aber/

ich hasste sie als Button,

als etwas, das all mein Denken und Sein in Beschlag

nahm. Was bin ich denn noch?“ S. 201

Wir erfahren aber zum Glück auch, dass es der jungen Mutter mit der Zeit besser geht, sie wieder das Haus verlassen kann und sie Zuversicht verspürt. „Ein Gefühl der Zuversicht stellt sich ein, zaghaft zwar, aber immerhin.“ S. 205

Szilvia Molnar, Milchbar, Blumenbar, ET 18.4.2023, 240 Seiten

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