Ein Buch für alle Liebhaber:innen der poetischen Sprache. Große Begeisterung für diesen Debütroman, für die wunderbar bildhafte Sprache, den beeindruckenden Schreibstil, die Beobachtungsgabe der Schriftstellerin, für ihr Können. Liebevoll, zart, berührend, mit dezentem Witz verziert, ist dies ein Roman, den ich sehr gerne gelesen habe, der meinem Lesegeschmack entspricht.
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„Ihre Stimme ging auf Wellen. Auf vielen kleinen, wenn sie fröhlich war. Auf flachen, wenn sie von weit herkam und schwappend an Land schlug.“ S. 18
Nach dem Tod ihrer Mutter ist die Tochter auf der Suche nach einer Antwort: Wer war ihre Mutter, was war das Nichts, das sie verbarg, woran dachte sie, wenn sie in sich verschwand und sich das nichtsnutzige Nichts über sie legte?
„Sie hielt mich eng an ihrer Seite, ließ mich bis an den Eingang heran, hinter dem ich sie wie im Tischtuch verschwinden sah. Sie bewachte ihn und er trennte das Leben, das ich mit ihr teilte, streng von dem, das nur ihr gehören sollte.“ S. 15
Schritt für Schritt nähert sich die Ich-Erzählerin dem Leben ihrer Mutter an, anhand von Erinnerungen, Fotos und den wenigen Erzählungen der Mutter, die zum Beispiel sagte, sie habe Gedichte in den Schnee geschrieben und gegen den Frost angesungen.
Bereits mit acht Jahren musste die Mutter auf einem fremden Hof als Dirn arbeiten. Sie hatte eine schwere, traurige Kindheit und viel Härte und Kälte erfahren. Sie war jemand, die das Kleinsein nie vergessen hat (S. 34)
Die Tochter stellt fest, dass sich das „Mutternichts“ auch auf sie übertragen hat. Es „Schleicht durch meinen Körper und bohrt sich in meinen Bauch(…)“ S. 13 „Aber ich weiß, dass meine Mutter eine Angst kannte, die für sie allein ausreichte und mit mir aufhören muss.“ S. 167
Wie kann sie die Geschichte der Mutter erzählen, wo beginnen, was darf sie verknüpfen? Stets hinterfragend, ob es so gewesen sein könnte, tastest sich die Tochter vor.
„Das ist alles. So könnte etwas gewesen sein. Die Geschichte meiner Mutter. Ich habe danach gestochert wie sie mit der Stricknadel in ihrem Haar. (…) Vielleicht ist mein Stochern gar keine Suche, sondern der Versuch, Mutters Geschichte schöner, also ungeschehen zu machen. (…)“ S. 164
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Leseempfehlung
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Christine Vescoli: Mutternichts, Otto Müller Verlag, Erscheinungstermin 23. Februar 2024, 168 Seiten
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unbezahlte Werbung, Rezensionsexemplar