VIGDIS HJORTH: EIN FALSCHES WORT

Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs

LESEHIGHLIGHT

„Ich hatte ihr erklärt, dass es mich krank machte, mit Mutter und Vater zusammen zu sein. Sie zu treffen und so zu tun, als sei nichts geschehen, wäre Verrat an mir selbst und an allem, wofür ich stehe, es war unmöglich, ich hatte es doch versucht!“ (S. 14)

Bergljot, eine Frau über 50, hat seit über 20 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie. Als nun der Vater stirbt, entfacht zwischen den vier Geschwistern und der Mutter ein Erbstreit. Doch für Bergljot geht es nicht um die Aufteilung des Familienerbes. Sie sieht sich konfrontiert mit ihrer Vergangenheit und ihrer traumatischen Kindheit. „… ich spürte, wie tief es saß, wie ich in die Tiefe gezogen wurde, wie schwer ich wurde, wie ich sank.“ (S. 22) Noch immer löst der Gedanke an ihre Mutter und ihren Vater Angst und starkes Unbehagen in ihr aus. Dabei wünscht sie sich so sehr, stark, ruhig und ganz bei sich zu sein. Sie möchte, dass ihre Geschwister endlich ihre Geschichte kennen, von ihren traumatischen Erfahrungen mit ihrem Vater und ihrer Mutter wissen, denn die Geschwister, insbesondere die beiden jüngsten Schwestern Astrid und Åsa , haben ein ganz anderes Bild von ihren Eltern als sie (und auch ihr älterer Bruder Bård) „Wenn man nicht wüsste, das unsere Eltern noch zwei Kinder haben, könnte man sie für eine ganz normale glückliche Familie halten.“ (S. 228)

In Rückblicken erfahren die Lesenden von Bergljots Vergangenheit, ihren traumatischen Erfahrungen, ihrem Leben, im Jetzt von ihren Ängsten und ihrem inneren Kampf, ihrer Zerbrochenheit und Zerstörtheit, von einer Frau, die nicht nüchtern einschlafen kann, die sich vor der Nacht fürchtet, die gesehen und gehört werden möchte, die verstehen und stark sein und endlich abschließen will. Es ist ein Roman über die Geheimnisse einer Familie, über familiäres Misstrauen, über die Sehnsucht nach Anerkennung. Aber auch über den Wunsch nach Ablösung, Abgrenzung und Befreiung von traumatischen Kindheitserinnerungen.

Bereits „Die Wahrheiten meiner Mutter“ war ein Highlight für mich. Und auch „Ein falsches Wort“ hat mich absolut überzeugt. Es ist insbesondere der Schreibstil der Autorin, der mich packt, mich in den Bann zieht, die Tiefe des Romans sowie die Naturbeschreibungen, z.B. „Große Flocken wirbelten durch die Luft und wollten nicht landen, wie Blätter, die Mitte Juni von den Apfel- und Kirschbäumen fallen.“ (S. 78) „… ich hätte die schöne wellenförmige Schneeoberfläche gern nicht mit meinen nervösen Fußspuren zerstört …“ (S. 96)

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LESEEMPFEHLUNG

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Mit „Ein falsches Wort“ gelang Vigdis Hjorth der internationale Durchbruch. Der Roman löste in Norwegen einen Skandal um die Wahrhaftigkeit von Literatur aus, gewann zahlreiche Preise und festigte Hjorths Status als eine der bedeutendsten Autorinnen unserer Zeit. (Zitat Cover)

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VIGDIS HJORTH: EIN FALSCHES WORT, S. FISCHER, Erscheinungstermin 13. März 2024, 400 Seiten

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unbezahlte Werbung, Rezensionsexemplar

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