C Pam Zhang: Wo Milch und Honig fließen

Aus dem amerikanischen Englisch von Eva Regul

In einer Zeit, in der die Erde vom Smog verseucht ist, weltweit sechsundneunzig Prozent aller Arten ausgerottet sind und Hungersnot herrscht, tritt die 29-jährige Ich-Erzählerin eine Stelle als Privatköchin in einer „Spitzenforschungsgemeinschaft“ auf einem Berg an der italienisch-französischen Grenze an. Dort auf dem Berg hat ihr Arbeitgeber, gemeinsam mit seiner Tochter Aida, eine Evolutionsbiologin, ein Land auf dem Fundament wissenschaftlicher Erkenntnisse erbaut. All das, was überall verschwunden ist, existiert hier noch. „Ich floh in das Land, weil ich überallhin gegangen wäre, alles getan hätte für einen letzten Bissen Grün (…)“( S. 9) Dort, im „Land, wo Milch und Honig fließen.“ (S. 15) kehrt langsam ein längst vergessenes Verlangen, der Genuss des Essens, in ihr Innerstes zurück.

Die Aufgabe der jungen Frau ist zunächst, die Gerichte für die regelmäßig stattfindenden Essen zuzubereiten, zu denen die Investoren des Forschungsprojekts eingeladen werden. Der Arbeitgeber scheut keine Mühen, den Investoren Gerichte zu präsentieren, die es sonst nicht mehr gibt, aber auf völlig absurde Gerichte und das Fleisch längst ausgestorbener Tierarten, das die Gäste begeistern lässt. Der Arbeitgeber der Köchin und seine Tochter verfolgen jedoch ein höheres Ziel. Da auch der Berg spätestens in 20 Jahren verseucht sein wird, planen sie ihren Standort zu verlagern und nur eine begrenzte Anzahl von Menschen mitzunehmen. Für die Umsetzung ihrer Pläne benötigen sie aber dringend weitere Investoren. Da jedoch keiner dem Mann mit den dunklen, kalten Augen so richtig zu vertrauen scheint, möchte er, dass seine Köchin nun die Rolle als Eun-Young, seine verschwundene Frau, einnimmt und die Investoren somit in ihrer Identität täuscht. „Wir brauchen eine dritte Person, der sie vertrauen können, die mitfühlend ist und eine Haltung zeigt, für die man sie respektieren kann.“ (S. 103) „Es war ein guter Deal. Ich verkaufte mein Ich.“ (S. 107)

„Wo Milch und Honig fließen“ ist ein Buch über Verlangen und Täuschung, Macht, Hunger, Gier. Das Buch ist spannend, sinnlich und eindringlich geschrieben und entfaltet schnell eine Sogwirkung. Mir wurde beim Lesen allerdings sehr schwer ums Herz. Insbesondere die Naturkatastrophen und deren Folgen für die Menschheit, die Tier und Pflanzenwelt, haben mich tief traurig gemacht. Es ist ein Buch, das deutlich macht, wie wichtig der sorgsame Umgang mit der Natur ist und aufzeigt, wie Menschen zerbrechen, wenn die Welt zerbricht. Ein außergewöhnliches und wichtiges Buch.

Ich war auf Knien durch die Asche meines Lebens gekrochen und kam in eine andere Welt, entstanden aus der Vision zweier Menschen, die besessen waren von Geheimnissen oder Narzissmus oder Lügen oder Weisheit oder Reichtum oder Weitblick oder Mut oder Angst. Die Wahl überlasse ich anderen.“ (S. 158)

C Pam Zhang: Wo Milch und Honig fließen, S. Fischer, Erscheinungstermin 24. Januar.2024, 272 Seiten

unbezahlte Werbung, Rezensionsexemplar

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